Wie verändert Digitalisierung unsere Arbeitswelt?

Wer sich mit der Digitalisierung im Bereich HR beschäftigt, streift unweigerlich mindestens zwei Themen: Zum einen die Digitalisierung von Einstellungsprozessen, zum anderen die digitale Qualifikation von Bewerbern, vielmehr die Nachfrage nach „digital skills“ und die damit verbundenen Konsequenzen auf den Arbeitsmarkt. Auch wenn beide Aspekte abhängig von der Branche eine unterschiedliche Durchdringung haben, lässt sich klar formulieren: Die Digitalisierung hat deutliche Auswirkungen auf die Zukunft von Arbeit. Um beiden Themen gerecht werden zu können, beschäftigen wir uns im ersten Teil des Artikels mit dem Aspekt der Qualifikationen, vielmehr der Arbeitsmarktentwicklung.

Die gute Nachricht zuerst
Noch vor einiger Zeit wurde für Deutschland der Verlust von 47 Prozent aller bestehenden Arbeitsplätze prognostiziert. Ein Irrtum, denn die Studie aus Übersee berücksichtigte die Digitalisierung eines Berufes insgesamt und nicht die Digitalisierung von Tätigkeiten innerhalb des beruflichen Spektrums. Was wurde also jetzt beurteilt? Laut den Ergebnissen der Studie „Digitalisation, hiring and personnel policy: evidence from a representative business survey“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) betrifft Digitalisierung zum einen die quantitative Entwicklung von Einstellungen, Abgängen aus Beschäftigung, offenen Stellen und abgebrochenen Personalsuchprozessen. Zum anderen war eine qualitative Veränderungen bei den Neueinstellungen, konkret bei den nachgefragten Bildungsabschlüssen, den besonderen erforderlichen Qualifikationen und besonderen Arbeitsbedingungen zu beobachten. Die Digitalisierung schlägt sich also laut der IAB-Kurzberichts „Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung bis 2035“ branchenspezifisch in unterschiedlichem Maße nieder; so spielt sie in der Fischerei eine weitaus geringere Rolle als im kaufmännischen Bereichen oder der Fahrzeugindustrie. Hieraus ergeben sich zudem regionale Unterschiede: Sind im Norden Deutschlands Forst-, Land- und Fischereiwirtschaft deutlich häufiger vertreten als im Süden, pressiert hier das Thema Digitalisierung weniger als in den Regionen, in den beispielsweise Zuliefererbetriebe und das produzierende Gewerbe im Allgemeinen stärker repräsentiert sind.

Regionale Unterschiede
Kurzum dürften daher auch die Auswirkungen einer zunehmenden Digitalisierung regional unterschiedlich ausfallen. Um die langfristigen regionalen Arbeitsmarkteffekte abzuschätzen, haben die Autoren auf Basis einer Studie für Gesamtdeutschland regionalspezifische Modellrechnungen bis 2035 durchgeführt. Sie zeigen, dass die Digitalisierung in den Regionen – wie im Bund – auf das Gesamtniveau der Beschäftigung kaum Auswirkungen hat. Dennoch führt sie zu größeren Verschiebungen von Arbeitsplätzen zwischen Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus. Entscheidend hierfür sind die Branchen- und Berufsstrukturen vor Ort. Den größten Bedarfszuwachs im Szenario Wirtschaft 4.0 gegenüber dem Basisszenario wird bis zum Jahr 2035 in den „Sozialen Berufen“, den „IT-Kernberufen“ und den Werbefachleuten erwartet. Der größte Bedarfsrückgang wird in den Berufsfeldern „Industrie, Werkzeug und mechanische Berufe“, „Elektroberufe“ und „Büroberufe und Personalwesen“ vorausgesehen. Hier dürften mehr Stellen wegfallen als geschaffen werden. Arbeitsplatzgewinne und -verluste werden sich jedoch weitestgehend ausgleichen.

Für den Freistaat bedeutet Digitalisierung, dass nur im unterrepräsentierten Bereich „Metallerzeugung und -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen” mit überdurchschnittlichen Rückgängen aufgrund einer zunehmenden Digitalisierung zu rechnen ist. Unterdurchschnittliche Arbeitsplatzverluste ergeben sich dagegen beim „Fahrzeugbau” und den „Freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern”. Bei den Wachstumsbranchen profitiert Bayern laut einer Studie des IAB in den Bereichen „Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften” sowie „Private Haushalte mit Hauspersonal” überdurchschnittlich, bei „Information und Kommunikation” dagegen nur unterdurchschnittlich. Studie:

Der Schlüssel zum Erfolg: Aus- und Weiterbildung
Auch wenn die Veränderungen im Arbeitsmarkt nicht disruptiv stattfinden werden, sind die Verantwortlichen für die Bereiche Bildung und Weiterbildung gefragt, Mitarbeiter von morgen adäquat vorzubereiten und jene, die sich bereits auf dem Arbeitsmarkt befinden, kontinuierlich zu schulen. Besonderes Augenmerk wird hier den Fachkräften von morgen zuteil, denn diese sind aufgrund des demografischen Wandels deutlich unterrepräsentiert. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland jedoch noch recht gut ab: Laut Eurostat weisen 61 Prozent der 16 bis 24 Jährigen höhere als grundlegende Kenntnisse auf, lediglich 11 Prozent haben nur geringe digitale Kenntnisse. IW-Consult hat in seinem jährlich erscheinenden „Digital-Atlas Deutschland 2018“ in Unternehmen nachgefragt, warum das Thema Weiterbildung hinlänglich recht stiefmütterlich behandelt wird: Aus Sicht der Unternehmen sind „keine Zeit für (weitere) Freistellungen“, „keine (weiteren) Kapazitäten für die Organisation“, „kein (weiterer) Weiterbildungsbedarf“ sowie „zu teuer/kein (weiteres) Budget“ wichtige Weiterbildungshemmnisse. In Digitalisierung investierende Unternehmen haben diese Hemmnisse häufiger überwunden als nicht in Digitalisierung investierende Unternehmen. Die Studienergebnisse finden Sie hier.

Um nicht den Anschluss zu verpassen, sollte Weiterbildung priorisiert und ausgeweitet werden. Dafür benötigen Unternehmen ein passendes Weiterbildungsangebot, dessen Nutzen den Unternehmen deutlich wird; zudem darf es weder zu teuer sein, noch zu viele Personalressourcen binden.