Anja Höhne, Personalverantwortliche bei Nutricia Advanced Medical Nutrition im Interview
Wie arbeitet man mit der Sorge: „Bald macht ein Roboter meinen Job?“
Diese Frage stellt sich bei uns nicht, wir haben viele „Wissensarbeiter“ und nehmen daher keine Sorgen auf Mitarbeiterseite aktuell dazu wahr. Zudem kommunizieren wir über unterschiedliche Kanäle, um unsere Mitarbeiter stets auf dem Laufenden zu halten: Intranet, Mail, Workplace (Facebook@work), Chat, Infomeeting, Telko, Visio etc.
Ordnen Sie bitte diese Begriffe nach ihrer Relevanz (werden am meisten an Bedeutung gewinnen): Querdenken, mentale Flexibilität, Fähigkeit, mit anderen Menschen zu arbeiten, Veränderungsbereitschaft, interkulturelle Kompetenz.
- Fähigkeit mit anderen Menschen zu arbeiten
- Veränderungsbereitschaft (geht für mich mit mentaler Flexibilität einher)
- Querdenken
- Interkulturelle Kompetenz (bei uns noch sehr gering)
Welche Relevanz werden die „Tugenden“ wie Fleiß, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit haben?
Sie werden immer Teil unserer Kultur und damit auch unserer Arbeit sein. Im Vorstellungsgespräch wie auch in Jobausschreibungen haben sie allerdings kein/wenig Gewicht aktuell und sicherlich auch in Zukunft nicht.
Konkurrieren die Soft Skills mit dem zunehmenden, technologischen Wissen und rücken so in den Hintergrund?
Das sehe ich nicht so: Technologisches Wissen veraltet sehr schnell, wer am Ball bleiben will, braucht soziale Kompetenzen wie beispielsweise die Fähigkeiten, mit anderen zusammen zu arbeiten, Aufgeschlossenheit/Neugier und Veränderungsfähigkeit. Man kann doch einfach mal schnell jemanden fragen, wie was funktioniert, aber dafür muss man eben aufgeschlossen sein.
Wie wichtig ist die lebenslange Fortbildung von Mitarbeitern, um dem rasanten Wandel hin zu noch mehr Digitalisierung standhalten zu können?
Lebenslanges Lernen von Mitarbeitern spielt insgesamt eine wesentliche Rolle; durch Digitalisierung wird der Prozess weiter beschleunigt, aber auch erleichtert, da Wissen viel leichter zugänglich ist und einfach erworben werden kann, beispielsweise mit „How-to-Videos“.
Welche Rolle spielt Selbstmanagement in Zukunft und wie trainiert man das?
Ich glaube nicht, dass Selbstmanagement im Vergleich zur heutigen Zeit einen höheren Stellenwert in der Zukunft haben wird. Früher hat man es meiner Meinung nach noch besser an der Uni gelernt, doch heutzutage in einem sehr schulischen Studium wird es leider immer weniger. Praktika oder andere erste Berufserfahrungen helfen sehr, ebenso wie selbstgestellte Aufgaben. Im täglichen Arbeitsalltag kann Selbstmanagement wohl am Besten in Zusammenarbeit mit der Führungskraft trainiert werden, durch Coachinghaltung und kontinuierliche Weiterentwicklung.
Welche (webbasierten) Trainings im Bereich Digitalisierung für Mitarbeiter kennen Sie?
- Unternehmensinterne e-Learning-Programme
- How-to-Videos beispielsweise auf YouTube
- Mitschnitt von Lehrveranstaltungen
- Webinar, Webex etc.
Welche Bedingungen braucht es, damit Arbeitende lern-, entwicklungs- und innovationsfähig(er) werden bzw. bleiben?
Einen kontinuierlichen Reiz und Stimulus: Wenn ich weiß, wofür ich lerne, kommt die Motivation automatisch, also „WHY“; sowie eine Unternehmenskultur, die das unterstützt und belohnt. Ein einfacher Zugang zu Angeboten, z.B. Lernzeit im Arbeitsalltag ist absolute Voraussetzung.
Wird die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter künftig wichtiger als die Einstellung Hochqualifizierter?
Aus- und Weiterbildung ist schon lange essentiell; lebenslanges Lernen wird ja auch schon seit Jahren gepredigt. Es wird in Zukunft zwei Wege geben: Mitarbeiter, die sich länger in einem Unternehmen aufhalten und sich durch kontinuierliche Weiterentwicklung in unterschiedlichen Jobs ausprobieren und hoffentlich auch erfolgreich werden; und eine Art Projektmitarbeiter, die mit einem ganz speziellen Wissen oder einer aktuell im Unternehmen notwendigen Erfahrung für kurze Zeit einchecken, mitmachen und dann wieder weiterziehen.
Welche Art der Herausforderung/psychische Belastung sehen Sie bei Mitarbeitern? Stichwort Anpassungskrise.
Alle reden von Work-Life-Balance und Burn-Out-Gefahr – ob die Zahlen wirklich höher sind als früher sei mal dahingestellt. Dennoch spielt Gesundheitsmanagement eine große Rolle; früher haben wir nur über Arbeitsschutz gesprochen und Maßnahmen und Programme entwickelt; heutzutage geht es um mehr, auch um die psychische Komponente am Mitarbeiter.
Welche Rolle spielt die Arbeitsumgebung? Hier ist gewiss auch eine „Aufrüstung“ erforderlich. Stichwort: Moderne Workplace-Technologien.
Eher eine Umrüstung, wir haben z.B. keine Festnetztelefone mehr, da man viel bequemer über seinen Laptop telefonieren kann – dazu muss man nicht einmal an seinem Schreibtisch sitzen. Natürlich braucht es moderne Techniken auch im Arbeitsalltag – diese sollen aber auch helfen und nicht nur gefühlt eine Last sein, beispielsweise benutze ich ein Videokonferenzsystem und kann mich mit meiner an mehreren Standorten sitzenden Projektgruppe austauschen, ohne dass ich dafür noch den halben Tag im Zug oder auf der Straße verbringen muss. Das ermöglicht es mir, pünktlich abends zu Hause bei meinen Lieben sein kann. Das fördert die Zufriedenheit.
Welche Rolle spielen flexible Arbeitsstrukturen im Kontext Digitalisierung? Sowie Kompetenz-Shifting und das gemeinsame Nutzen von Ressourcen?
Na, wer mit der Matrixorganisation nicht bereits eh schon überfordert war, kann da sicherlich gut mithalten. Ich vermute, hier stecken wir gedanklich noch in den Kinderschuhen, wir können es uns einfach kulturell im Unternehmen noch nicht vorstellen. Wenn man aber ein wenig visionär unterwegs ist, weiß man, dass wir uns darauf einrichten müssen. Da fehlt es aber noch an vielen Grundbedingungen.
Welcher Verbesserungsbedarf besteht in der Arbeitswelt 4.0 in Bezug auf Gesundheit, Motivation der Mitarbeiter?
Das Thema Gesundheitsmanagement wird immer wichtiger, zum einen auf der individuellen Ebene, d.h. jeder Einzelne ist hier aufgerufen, sich selbst zu reflektieren, Angebote zu nutzen und auf sich zu achten; zum anderen auf der unternehmerischen Ebene hinsichtlich Organisationsstruktur, Führungsverständnis und Richtlinien. Das ist allgemein hin ein schwieriges Thema, da Gesundheit/Psyche von Mitarbeitern schwerer fassbar sind als beispielsweise Arbeitssicherheits-Schutzmaßnahmen beim Umgang mit Maschinen. Mitarbeitermotivation war in jedem Unternehmen, das auch eine Mitarbeiterbefragung durchführt, an der jährlichen Tagesordnung.
Wie verändert sich Managementkompetenz bei Führungskräften in einer zunehmend dynamischeren Welt?
VUCA bringt auch Führungskräfte dazu, ein neues Führungsbild zu entwickeln: Der beste Spezialist zu sein, hat schon lange nicht mehr gezählt, doch wirklich damit umgehen können, dass meine Mitarbeiter mehr wissen und Dinge besser können als ich – wo ich doch der Chef bin – kann doch aktuell sicherlich maximal jede zweite Führungskraft. Resilienz wird zunehmend wichtig: mehr Leader, weniger Manager, sondern mehr Sparringpartner. Vor allem sollten Führungskräfte lernen, mit Veränderungen umzugehen, nicht nur in Bezug auf Unternehmensveränderungen, neue Projekte, andere Kundenanforderungen etc. sondern auch auf ständige Teamwechsel, Diversity sowie Anforderungen und Ansprüche der jungen Generation.
Welche speziellen Trainings existieren für Führungskräfte?
Zu viele. Meiner Meinung nach brauchen Führungskräfte den kontinuierlichen Prozess des Hinterfragens der eigenen Person gemixt mit neuen Impulsen für Denken und Handeln; das muss auch nicht vom Trainer kommen, da kann auch der Kollege inspirieren.
Was bedeutet für Sie Veränderungskompetenz?
Veränderungskompetenz steht ganz oben auf der Liste. Zum einen die Komponente von Anpassung an neue Herausforderungen, geänderte Kundenwünsche, Technologien etc. und zum anderen die Haltung gegenüber Veränderungen: Sehe ich das Glas halb voll oder halb leer, schaue ich auf die Chancen der Veränderung oder nur auf das, was ich aufgeben muss. Wie schnell gehe ich durch die normale Change-Kurve durch (kann etwas loslassen, um etwas Neues zu gewinnen) und wie schnell bin ich mit vielen Veränderungen gleichzeitig oder in enger Abfolge überfordert.
Welche Rolle spielen noch Hierarchien?
Noch spielen Hierarchien zumindest im Organigramm, bei Reisekostenabrechnungen, Urlaubsgenehmigungen etc. eine Rolle; Stichwort „Unterschriftenrichtlinie“. In der täglichen Arbeit im Team zeigt sich aber nicht mehr, wer den Hut auf hat. Da geht es vielmehr um Empowerment und geteilte oder delegierte Verantwortung.
Sind Personaler diejenigen, die sich als erste im Unternehmen digitale Kompetenz aufbauen müssen, um diese weitergeben zu können?
Ganz und gar nicht; es gibt überall First Mover und Vertreter der jungen Generation, die damit aufgewachsen sind und über Cross-Mentoring einfach ihr Wissen an andere Mitarbeiter im Unternehmen weitergeben können, über kleine Lernvideos, als digitaler Lernbegleiter/-berater oder ähnliches. Aber digitale Kompetenzen helfen auch in der Personalabteilung, insbesondere in der Administration. Beispiele hierfür sind die digitale Personalakte, digitale Gehaltsabrechnung etc.
Welches Potenzial birgt Digitalisierung für den HR-Bereich? Beispielsweise Automatisierung von Bewerbungsprozessen?
In der Digitalisierung steckt ein großes Potenzial für den HR-Bereich, beginnend beim Bewerbungsprozess (häufig bereits umgesetzt), über Administration (z.B. digitale Personalakte) und Gehaltsabrechnung bis hin zu digitaler Kommunikation mit externen Partnern.
Agil ist ein Unternehmen, das …
… kontinuierliche Veränderung und Anpassung an geänderte oder neue Kunden- / Marktbedürfnisse als normal ansieht und mit der gesamten Organisation und allen Mitarbeiter leben kann.