Die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten wird bis Mitte 2024 schrittweise erleichtert. Dieses Ziel verfolgt der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, das am 16. August 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Gegenüber dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das 2020 in Kraft getreten war, gibt es nun drei „Säulen“, nach denen die Bewerber beurteilt werden: Qualifikation, Erfahrung sowie Potenzial auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die einzelnen Gesetzesänderungen werden bis Mitte 2024 schrittweise in Kraft treten.

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Die wichtigsten Neuigkeiten

Fachkräftesäule

(Tritt am 18. November 2023 in Kraft)

Im ersten Schritt sollen anerkannte Qualifikationen bei der Fachkräfteeinwanderung stärker als bisher eine Rolle spielen. Dabei gilt als Grundsatz: Wer einen anerkannten Abschluss hat, kann jede qualifizierte Beschäftigung ausüben, unabhängig von der Art der „Beschäftigung“ (gilt für nicht-reglementierte Berufe).

Die „Blaue Karte EU“ (früher 18b Abs. 2, künftig 18g AufenthG)  bietet Inhabern künftig erweiterte Einwanderungsmöglichkeiten:

  • der Personenkreis, der die „Blaue Karte EU“ erhalten kann, wird vergrößert (u. a. Berufseinsteiger, IT-Spezialisten ohne Hochschulabschluss)
  • die benötigten Gehaltsschwellen werden abgesenkt:
    • Allgemein: 50 % (vorher: 66 %) der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze = 43.800 Euro (2023)
    • Engpassberufe und Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger: 45,3 % (vorher: 52 %) der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze für = 39.682,80 Euro (2023)
    • die Liste der Engpassberufe wird erweitert
  • Einführung der kurzfristigen und langfristigen Mobilität
    • Kurzfristige Mobilität: Inhaberinnen und Inhaber einer Blauen Kare EU, die ein anderer EU-Mitgliedstaaten ausgestellt hat, können für eine geschäftliche Tätigkeit nach Deutschland einreisen: Für einen Aufenthalt bis max. 90 Tagen ist weder ein Visum noch eine Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit erforderlich.
    • Langfristige Mobilität: Nach einem Mindestaufenthalt von 12 Monaten mit der Blaue Karte EU in einem anderen EU-Staaten ist der langfristige Umzug nach Deutschland ohne Visum möglich. Eine deutsche Blaue Karte EU muss nach der Einreise bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden.
  • Familiennachzug zu Inhaberinnen und Inhaber einer Blaue Karte EU wird ermöglicht
    • Verzicht auf Prüfung des Wohnraumerfordernisses und der Lebensunterhaltssicherung mit Ausnahme der Krankenversicherung.
  • Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer (§19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. §24a BeschV):
    • Keine Prüfung mehr, ob die erforderliche EU/EWR-Fahrerlaubnis und die Grundqualifikation oder beschleunigte Grundqualifikation vor der Einreise vorhanden sind.
    • Es sind keine Sprachkenntnisse mehr vorausgesetzt

Erfahrungssäule

(Tritt im März 2024 in Kraft)

Vorhandene berufliche Erfahrungen werden ab jetzt höher bewertet: Die Einreise und die Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung ohne einen in Deutschland formal anerkannten Abschluss wird für alle nicht reglementierten Berufe in allen Branchen geöffnet (6 BeschV). Voraussetzungen sind:

  • eine im Herkunftsland staatlich anerkannte, mindestens zweijährige Ausbildung und eine zweijährige einschlägige Berufserfahrung
  • Arbeitsvertrag oder konkretes Arbeitsangebot in Deutschland
  • Höhe des Gehalts bei min. 45 % der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (Ausnahme bei Tarifbindung des Arbeitgebers, dann kann Gehaltsschwelle unterschritten werden)
  • Keine Deutschkenntnisse erforderlich
  • Sonderregel IT: weiterhin kein formaler ausländischer Abschluss notwendig

Damit das Anerkennungsverfahren den Arbeitsbeginn in Deutschland nicht verzögert, wird eine sogenannte Anerkennungspartnerschaft (§16 d Abs.3 AufenthG) zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern eingeführt. Voraussetzungen dafür sind:

  • der angestrebten Tätigkeit entsprechende, mind. hinreichende Deutschkenntnisse (A2)
  • im Erwerbsstaaten anerkannter Abschluss (mind. 2 Jahre Ausbildung)
  • Beschäftigung und Bezahlung von Beginn an auf Fachkraft-Niveau
  • Geeignetheit des Arbeitsgebers für Ausbildung und Nachqualifizierung
  • Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich
  • Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zunächst für bis zu 1 Jahr, Verlängerung bis zu 3 Jahre, wenn Verfahren betrieben wird
  • Anerkennungsverfahren wird in Deutschland eingeleitet und betrieben

Um die Qualifikation von Fachkräften zu prüfen, wird eine Einreisemöglichkeit zur Qualifikationsanalyse (§16d Abs. 6 AufenthG) geschaffen. Dazu kann eine Aufenthaltserlaubnis von bis zu sechs Monaten erteilt werden, wenn eine zuständige Stelle entschieden hat, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein sonstiges Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation vorliegen, und eine Zusage für die Durchführung einer Qualifikationsanalyse erteilt.

Potenzialsäule

(Tritt ab Juni 2024 in Kraft)

Für Menschen aus Nicht-EU-Staaten ohne Anerkennung wird eine „Chancenkarte als Fachkraft mit Anerkennung“ (§20a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) eingeführt. Ziel ist es, in Deutschland eine Erwerbstätigkeit oder Anerkennungsmaßnahme zu finden.

  • Erteilung bis zu einem Jahr
  • Nebenbeschäftigung oder Probearbeit bis zu 20h/Woche bzw. 2 Wochen Probearbeit erlaubt

Für Menschen aus Nicht-EU-Staaten, die noch kein konkretes Arbeitsplatzangebot haben, aber Potenzial für den Arbeitsmarkt mitbringen, wird eine „Chancenkarte“ (§20a Abs. 3 Nr.2 AufenthG) eingeführt, die auf einem Punktesystem basiert. Es müssen 6 Punkte gesammelt werden, wobei folgende Kriterien berücksichtigt werden:

  • Qualifikation
  • Deutsch- und Englischkenntnisse
  • Berufserfahrung
  • Deutschlandbezug
  • Alter sowie Einschätzung der Arbeitsmarktchancen der Lebens- bzw. Ehepartner

Weitere Änderungen

  • Entfristung der Westbalkanregelung (§19c Abs.1 AufenthG i.V.m 26 Abs.2 BeschV) ab 18. November 2023 und Verdopplung des Kontingents auf 50.000 Personen pro Jahr ab 1. Juni 2024
  • „Spurwechsel“ für Asylbewerber und dessen Kernfamilie ab 1. März 2024
    • Fachkräftetitel kann erteilt werden
    • Rücknahme des Asylantrags
    • Stichtagsregelung: Einreise muss vor 29. März 2023 erfolgt sein
  • Eine Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldetet „soll“ künftig erteilt werden (früher: „kann erteilt werden“) ab 1. März 2024