Als Unternehmer hat Klaus-Hinrich Vater seit Beginn der Pandemie hautnah miterlebt, wie sich die Arbeitswelt wandelt. Wo liegen nach Einschätzung des DIHK-Vizepräsident die Herausforderungen, wo die Chancen, und welche Kriterien machen den Erfolg aus? Im Interview schildert er seine Erwartungen an die Zukunft.
IHK: Herr Vater, die Corona-Pandemie hat die Art, wie wir arbeiten, in nie da gewesenem Tempo verändert. Wo sehen Sie die Chancen von New Work für die Unternehmen und ihre Beschäftigten?
Klaus-Hinrich Vater: Zum einen wird sich die Meeting-Kultur nachhaltig verändern. Virtuelle und hybride Formate haben sich etabliert. Wir werden nicht mehr aus geringem Anlass durch ganz Deutschland reisen. Das erwarten auch die Kunden nicht mehr. Und zum anderen erhalten die Mitarbeitenden mehr Freiheit und neue Möglichkeiten.
Trotz geringerer Kontrollmöglichkeit beweisen die Arbeitsergebnisse, dass mobiles Arbeiten in den meisten Fällen sehr gut funktioniert. Beruf, Freizeit und Familie lassen sich leichter miteinander vereinbaren. Und bei kinderbetreuenden Elternteilen entfällt der Druck, rechtzeitig zu Hause sein zu müssen. Bei uns haben mehrere – meist weibliche – Mitarbeitende ihre Arbeitszeit ausgeweitet, weil Fahrten von und zur Arbeit entfallen sind.
Was sind die größten Herausforderungen?
Die liegen ganz klar in den Bereichen Datenschutz und Datensicherheit. Viele Unternehmen sind weder technologisch noch prozessual so aufgestellt, dass der Schutz und die Sicherheit von sensiblen Daten bei mobilem Arbeiten gewährleistet sind. Das Bewusstsein und das Verständnis für die notwendigen Investitionen fehlen häufig – insbesondere bei der älteren Generation. Ich schätze, dass mindestens die Hälfte der Unternehmen weder die Bedrohungslage noch die geltenden Vorschriften wirklich ernst nehmen.
Eine weitere Herausforderung ist das Thema Arbeitsschutz. Am Arbeitsplatz kann ich eine gesetzeskonforme Umgebung schaffen, zu Hause kann ich das nicht, weil der Arbeitgeber keinen Zugriff auf die Privaträume des Mitarbeiters hat. Sollte der Gesetzgeber die Unternehmen in die Pflicht nehmen, auch bei mobilem Arbeiten die Einhaltung der geltenden Vorschriften sicherzustellen – die Idee gab es ja schon –, dann findet dieses Arbeitsmodell ein schnelles Ende.
Hat New Work Zukunft oder ist es doch nur eine Notlösung?
Mobiles Arbeiten hat Zukunft, weil die großen Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber überwiegen. Neben den bereits genannten fallen mir noch weitere ein. So sinkt zum Beispiel der Raumbedarf. In unserem Unternehmen gab es an zwei Standorten ein Platzproblem. Die Suche nach neuen Räumen haben wir dank Homeoffice inzwischen eingestellt. Ein weiterer Vorteil ergibt sich bei der Suche nach Beschäftigten. Diese muss ich nicht mehr vor der Haustür finden. Ich kann jemandem einen Arbeitsplatz anbieten, der weit entfernt wohnt und nur ein- oder zweimal im Monat ins Office kommen muss.
Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem eigenen Unternehmen während der Pandemie gemacht?
Mein Unternehmen fußt auf den drei Säulen Elektro-Handwerk, IT und Personalservices. Im handwerklichen Part konnten wir nur einfache Bürotätigkeiten ins Homeoffice verlegen. Im IT-Bereich hingegen haben wir schon lange mobil gearbeitet und dies jetzt nur noch konsequenter umgesetzt. Die Nachfrage von Personaldienstleistungen wie Arbeitnehmerüberlassung oder Personalentwicklung hängt sehr von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab. Hier mussten wir schnell und für länger Kurzarbeit in Anspruch nehmen.
Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgskriterien für New Work?
Es muss eine Win-win-Situation für beide Seiten sein. Leistung und gewonnene Flexibilität müssen im Einklang stehen. Nicht jeder kann mit der Eigenverantwortung umgehen, einige möchten Arbeit und Zuhause bewusst auseinanderhalten, und andere brauchen den persönlichen Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen.
Wie frei sind denn Ihre Beschäftigten bei der Wahl von Arbeitszeit und -ort?
Wir versuchen, außerhalb überschaubarer Vorgaben so flexibel wie möglich zu sein. Das kommt in der Belegschaft gut an, und das Angebot dieser Arbeitsmodelle unterstützt uns dabei, geeignete Fachkräfte zu gewinnen, was ja immer schwieriger wird.
Natürlich gibt es Grenzen. Findet zum Beispiel eine Betriebsversammlung statt, auf der Veränderungen angekündigt werden, müssen alle kommen. Auch ein Vertriebsteam muss sich regelmäßig sehen, weil es sonst auf Dauer nicht als Team funktioniert.
Für einen Software-Entwickler ist Präsenz meist nur bei Projekt-Meetings notwendig, ansonsten kann er von mir aus auch nachts arbeiten, sofern die geltenden Arbeitszeitgesetze das zulassen. Aber es gibt auch Bereiche, in denen Kernarbeitszeiten unerlässlich sind.
Technologisch waren die neue Form des Arbeitens im Homeoffice und virtuelle Meetings mit Tools wie Zoom, Teams & Co. ja längst möglich. Wieso braucht es eine Pandemie, um umzudenken?
Zum einen, weil der Mensch dazu neigt, Veränderungen erst einmal mit Unbehagen zu betrachten. Vieles wird so gemacht, weil es schon immer so gemacht worden ist. Man fragt gar nicht danach, ob die vielen Reisen noch zeitgemäß sind.
Es gibt allerdings Anlässe, da halte ich den persönlichen Austausch vor Ort für unerlässlich. Der andere Grund ist unsere Haltung zu einer digitalisierten Welt. Deutschland ist hier ein Entwicklungsland. Das hat sich durch Zoom, Teams & Co. übrigens noch nicht geändert.
Am 1. Juli 2021 ist die von der Bundesregierung in der Bundesnotbremse verordnete Homeoffice-Pflicht ausgelaufen. Gibt es aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf etwa bei gesetzlichen Regelungen für die Arbeit zuhause?
Von gesetzlichen Regelungen halte ich überhaupt nichts, weil die Voraussetzungen in den Branchen sehr unterschiedlich sind. Wir haben ohnehin schon zu viel Regulierung. Wenn ein Arbeitgeber nicht möglich macht, was möglich ist, gehen ihm die Mitarbeitenden verloren. Es ist also schon in seinem ureigenen Interesse, flexible Arbeitsmodelle anzubieten. Dafür braucht es kein Gesetz.
Wie hat sich die Art zu arbeiten für Sie persönlich verändert?
Ich habe mein eigenes Büro aufgegeben und teile mir jetzt einen Raum mit meinem Geschäftsführer-Kollegen. Zu Hause habe ich anlässlich der Pandemie mein Büro komplettiert und Homeoffice für mich zu schätzen gelernt. Ich sitze hier zwar nicht in Jogginghose, sondern in Jeans und vernünftigem Oberhemd, aber es hat schon manchen Vorteil.
Autorin: Eli Hamacher