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Betriebliche Gesundheitsförderung – Homeoffice als Herausforderung
Wenn Beschäftigte von Zuhause arbeiten, müssen Unternehmen das betriebliche Gesundheitsmanagement an einigen Stellen neu denken.
Die Corona-Pandemie stellt die Angebote rund um das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) vor neue Herausforderungen. Einerseits bleibt die Struktur der Angebote für mehr Gesundheit im Unternehmen gleich. Andererseits verlangt das Arbeiten im Homeoffice neue Kommunikationswege und Tools, um die Beschäftigten auch in den eigenen vier Wänden zu erreichen. Das BGM basiert auf vier Bausteinen: Dazu gehören als Pflichtprogramm für Arbeitgeber der Arbeits- und Gesundheitsschutz, das betriebliche Eingliederungsmanagement, die für Chefs und Beschäftigte freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) sowie die freiwillige wahrnehmbaren Präventionsangebote für Arbeitnehmer. Allerdings sind die bislang bewährten Maßnahmen – Bedarfsanalyse, Planung, Umsetzung und Bewertung – durch Lockdown und Homeoffice-Pflicht aus dem Tritt geraten. BGF-Kurse wie Rückenschule, Yoga oder Laufgruppen lassen sich nicht einfach in die „New-Work“-Welt, also Arbeiten auf Distanz, übertragen.
In vielen Betrieben befindet sich im zweiten Corona-Winter das klassisch-analoge BGM-Kursangebot mehr oder minder noch im Ruhemodus. Dafür haben digitale Angebote Konjunktur, wie Fitness- und Gesundheits-Apps, die es schon vor der Pandemie gab. Sowohl spezialisierte Firmen als auch Krankenkassen haben ihr digitales Angebot deutlich ausgebaut. So finden sich beispielsweise webbasierte Plattformen, um Beschäftigte im Homeoffice zu Rückengesundheit oder Stressmanagement zu motivieren.
Dieses hybride BGM scheint sich mehr und mehr durchzusetzen. Immerhin lag die Homeoffice-Quote laut der vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Studie „Homeoffice im Verlauf der Corona-Pandemie“ vor rund einem Jahr in Mittelfranken nur bei knapp einem Drittel. Allerdings sehen die betrieblichen Pläne zum Einsatz von Mobilarbeit für die Zeit nach der Pandemie unterschiedliche Richtungen vor, konstatierte das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im letzten Sommer. Demnach wollten rund zwei Drittel der Betriebe Homeoffice im selben Umfang ermöglichen wollen wie vor der Krise. Gut jeder zehnte Betrieb plante, das Homeoffice-Angebot unter den Stand vor der Krise zurückfahren. Jeder fünfte Betrieb, mehrheitlich Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, will dagegen die Homeoffice-Option gegenüber dem Vorkrisen-Niveau ausbauen.
Positive und negative Effekte
Die Auswirkung des Homeoffice auf die individuelle Gesundheit kann potenziell vielfältig sein, ist im gerade veröffentlichten Bericht des Bundesarbeitsministeriums „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ nachzulesen. Auf der einen Seite könnte Stress reduziert werden und durch den Wegfall von Pendelstrecken mehr freie Zeit für Sport, Hobbies oder das Familienleben zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite könnte die mangelnde räumliche Trennung von Beruflichem und Privatem neuen Stress auslösen. So könne es zu einer Entgrenzung sowie verkürzten oder ganz wegfallenden Erholungsphasen kommen. Allerdings erlaubt die Datenlage noch keine Gesamtbeurteilung der gesundheitlichen Homeoffice-Folgen.
Einzelstudien zeigen auf, wo das BGM ansetzen könnte. Laut dem DVK-Gesundheitsreport 2021 sitzen Deutsche pro Werktag inzwischen 8,5 Stunden – eine Stunde mehr als noch 2018. Junge Erwachsene in der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre sitzen mittlerweile sogar rund 10,5 Stunden. Durch das Homeoffice kommen neue Belastungen wie etwa weniger Sitzunterbrechungen hinzu: 43 Prozent der Befragten im Homeoffice finden es im Vergleich zum Arbeiten im Büro schwieriger, ihre Sitzzeit zu reduzieren. 59 Prozent der Menschen, die im Homeoffice arbeiten, sagen, dass sie keine Unterstützung von ihrem Arbeitgeber erhalten, um ihre Sitzzeiten zu verringern. Als Konsequenz aus dem bewegungsarmen Arbeiten drohen Erkrankungen des Bewegungsapparats. Nach wie vor gehen ein Fünftel der Fehlzeiten auf Muskel- und Skelett-Erkrankungen zurück, diese Diagnose ist mit Abstand die Nummer 1 bei den krankheitsbedingten Fehltagen.
Auf Platz 2 der Krankschreibungen im Jahr 2021 folgen – gemäß der AOK-Auswertung „Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft“ – die psychischen Erkrankungen. Sie sind besonders interessant, weil laut AOK-Daten die durchschnittliche Falldauer psychischer Erkrankungen im Jahr 2020 mit 30,3 Tagen je Fall mehr als doppelt so lang war wie der Durchschnitt aller Erkrankungen. Als belastend können Homeworker beispielsweise Job-Unsicherheit, wahrgenommenes Infektionsrisiko und emotionale Einsamkeit empfinden. Hinzu kann die zusätzliche Belastung junger Eltern mit kleineren Kindern kommen, die im letzten Jahr durch geschlossene Kindergärten und Schulen besonders gefordert waren. Das Thema psychische Gesundheit sei durch die Pandemie etwas mehr aus der Tabuzone herausgekommen, stellt die Uni Leipzig in einer Studie zu Auswirkungen der Pandemie fest. Gleichzeitig konstatiert sie auch, dass Krankschreibungszeiten der Beschäftigten kürzer werden, wenn Arbeit gut gestaltet ist.
Betriebliche Praxis ins Homeoffice
Für das betriebliche Gesundheitsmanagement scheint gerade die Motivation der Gesundheitsförderung auf Distanz die aktuell größte Herausforderung zu sein. Dafür müssen die weitgehend positiven Erfahrungen der Videokonferenzen auf ein digitales Kurs- und Schulungsangebot übertragen werden. Im Kern geht es darum, die betriebliche Praxis im Homeoffice zu etablieren. Dazu zählt das richtige Sitzen an PC oder Laptop daheim, also möglichst aufrecht auf einem ergonomischen Stuhl an einem höhenverstellbaren Schreibtisch zu arbeiten. Dem ausufernden Sitzen sollte durch eine bewegungsfreudige Morgenroutine und konsequent geplanten Pausen und Arbeitsende entgegengewirkt werden. Außerdem sollten Beschäftigte im Homeoffice trotz Kühlschrank und gut gefüllter Nasch-Schublade auf feste Essenszeiten und gesunde Ernährung achten. Zudem sollten auch Arbeitgeber ihre Homeworker dazu motivieren, die Zeiten der Erreichbarkeit zu definieren und zu begrenzen. Die Trennung von Arbeit und Privatem mit der anstehenden Hausarbeit ist ein weiterer Baustein, um – gefühltem – Stress in den eigenen vier Wänden zu begegnen.
Autor: Thomas Tjiang
„Homeoffice Crafting“ – digitale Informationsveranstaltung am 18. März 2022
Gesund und produktiv in den eigenen vier Wänden arbeiten – darum geht es in der digitalen Informationsveranstaltung „Homeoffice Crafting“ der IHK Nürnberg für Mittelfranken am Freitag, 18. März 2022 von 9 bis 10 Uhr. Zwar hat das Homeoffice zahlreiche Vorteile, bringt aber auch einige Herausforderungen mit sich. Die Themen: wirksame Selbstführung, Motivations- und Stressbewältigung, Kontakt zu anderen Beschäftigten, Abschalten nach einem Homeoffice-Arbeitstag und Gesundheit im Homeoffice.