Von Programmieren zum Prellbock: Führungskompetenzen in der Technikbranche
Von Amy Bunszel
Als Schülerin war ich mit Leib und Seele bei der Theatergruppe dabei. Als Inspizientin bei einer Inszenierung des Musicals „Annie Get Your Gun“ musste ich sämtliche Mitwirkenden auf und hinter der Bühne innerhalb weniger Wochen zu einem Team zusammenschweißen.
Ich tanzte und sang nicht, baute keine Bühnenbilder und bediente auch nicht die Beleuchtungsanlage. Statt dessen war ich für die Logistik zuständig – dafür, dass bei der Premiere alles wie am Schnürchen lief, sodass alle Beteiligten sich dem Publikum von ihrer Schokoladenseite präsentieren konnten.
Diese Erfahrung hat mein Verständnis von Führungskompetenz nachhaltig geprägt. Als Mitgründerin von Linius Technologies musste ich viele unterschiedliche Funktionen zugleich ausüben – mir sozusagen lauter unterschiedliche „Denkhüte“ aufsetzen – und meine Aufmerksamkeit ständig neuen Themen zuwenden, um das Unternehmen voranzubringen. Aber erst mit der Übernahme unseres Start-ups durch Autodesk im Jahr 2003 erhielt ich die Chance, aus meinen vielseitigen Erfahrungen – von der Inspizientin zur Hardware-Entwicklerin, Anwendungstechnikerin und Unternehmerin – Kapital zu schlagen und sie weiter auszubauen. Natürlich steht heute weit mehr auf dem Spiel – immerhin bin ich für Produktstrategie und -entwicklung verantwortlich und leite ein funktionsübergreifendes Team aus 700 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen weltweit. Die übergeordneten Ziele unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich: Sowohl in meiner Rolle als Inspizientin als auch in meiner heutigen Führungsposition geht es darum, anderen Menschen zur Verwirklichung ihres Potentials zu verhelfen.
Aus meinem Erfahrungsschatz von der Theatergruppe meiner High School über die unternehmerischen Kompetenzen einer Existenzgründerin bis hin zu meiner heutigen Rolle in der obersten Führungsebene bei Autodesk möchte ich vier Ratschläge an Kollegen und Kolleginnen aus der Technikbranche weitergeben:
1. Führungskraft ist nicht gleich Alleskönner. „Anything you can do, I can do better“ zählt zu den bekanntesten Duetten aus „Annie Get Your Gun“: „Alles, was du kannst, das kann ich viel besser!“ In der Wirtschaft habe ich schnell gemerkt, dass das nicht stimmt. Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in meinem Team machen Arbeiten, die außerhalb meines Kompetenzbereichs liegen. Unerfahrene Führungskräfte haben oft Schwierigkeiten, mit dieser Tatsache klarzukommen. Um aber in eine Führungsaufgabe hineinzuwachsen, muss man lernen, sich auf jene Bereiche zu konzentrieren, in denen man einen echten Beitrag zur Wertschöpfung leisten kann, und zugleich die Mitglieder seines Teams bei der Verwirklichung ihres eigenen Potentials zu unterstützen.
In meinem Team sorge ich dafür, dass jedes einzelne Mitglied einer oder einem unmittelbaren Vorgesetzten unterstellt ist, die oder der die jeweilige Person bei ihrer fachlichen Weiterentwicklung betreuen kann. Diese unmittelbaren Vorgesetzten stehen mitten in der Praxis, können spezifische Kenntnisse und Kompetenzen vermitteln und den Wissensstand, die Schulungsbedürfnisse, Leistungen und Ergebnisse ihrer Teammitglieder am besten beurteilen.
Dabei geht es jedoch nicht nur um die fachlichen Fähigkeiten, die sogenannten „hard skills“. Ebenso wichtig ist die Frage, wie jemand an seine Arbeit herangeht, und hier sind zum einen die eigenen Beobachtungen, zum anderen aber auch die aus 360-Grad-Feedback gewonnenen Erkenntnisse ungemein wertvoll. Daraus ergibt sich ein aussagekräftiges Gesamtbild, aus dem Sie ersehen können, wie gut sich die betreffende Person im Team einbringt – und zwar sowohl in Bezug auf die erbrachten Leistungen als auch auf den Ansatz und Einsatz, mit dem er oder sie an die jeweiligen Aufgaben, das Team und das Unternehmen herangeht.
2. Become a Leader, Even If You’re Not a Manager. Computer scientist and entrepreneur Tim Howes—who grew his team at Loudcloud to 650 members in 18 months—shared some sound advice when he said, “Watch out for the temptation to take your top coders and make them managers.”
Many people believe that to advance or be seen as a leader, they need to manage people—and the more people the better. I disagree. It is totally possible and even expected to be a leader without being a manager. On my team, we have many people who coach other team members, set the technical direction, own key deliverables, and are accountable for group results. They just don’t manage people.
Managing people is really time-consuming and can get very messy at times. It has to be something that you truly want to do. You have to feel joy in getting things done through others, as you won’t be as hands-on anymore. Your own deliverables will be less tangible. If you are managing just for advancement, you may not enjoy your job or be able to help your people. Instead, consider embracing other leadership roles that do not include people management, or ask for a management test-drive when someone is on vacation or leave so you can see what it’s really all about.
3. Always Clear the Path for Your Employees. The biggest challenge as a leader is not being a roadblock. In fact, it is your job to clear the roadblocks. I am happiest when I am able to keep my team moving at its optimal pace—and that’s a large part of what I do every day. I buffer and protect people from stuff that they shouldn’t have to worry about because it could distract and hinder them.
An guten Tagen gelingt es mir, den Weg freizuräumen, und an schlechten Tagen blockiert irgendein großes hässliches Ding alle diese tollen Menschen bei ihrer Arbeit, und ich kann nichts dagegen tun. Die Arbeitszeit unserer Mitarbeiter ist unsere wertvollste Ressource, und ich will nicht, dass sie verschwendet wird.
Ich sehe mich inzwischen nicht mehr als praktizierende Technikerin. Sondern als Führungskraft, der andere leitende Führungskräfte unterstellt sind, und mein Potential nutze ich am besten aus, indem ich anderen ermögliche, ihr eigenes Potential auszunutzen und hervorragende Arbeit zu leisten.
4. Je größer das Blickfeld, desto weiter die Sicht.Manchmal hat man es mit einem leistungsstarken Team aus lauter ehrgeizigen Technikern zu tun, die laufend alle Zielvorgaben übertreffen. Wenn Sie Ihren Fokus jedoch nur auf deren beeindruckende Kennzahlen – termintreue Erfüllung, hervorragende Arbeitsergebnisse – richten, kann es passieren, dass Sie ungesunde Dynamiken innerhalb des Teams übersehen, die auf Dauer Sand ins Getriebe bringen.
Gerade Menschen, die in der Technikbranche tätig sind, fixieren sich häufig stark auf die Einhaltung eines einmal gefassten Plans. Es kann jedoch vorkommen, dass Planänderungen erforderlich werden, wenn zum Beispiel im weiteren Projektverlauf neue Informationen bekannt werden. Womöglich drängt ein neuer Mitbewerber auf den Markt, oder Sie haben bereits in der Frühphase Rückmeldungen von Nutzern bekommen, die darauf hindeuten, dass irgendetwas schiefläuft. Einen Plan punktgenau auszuführen, der sich als nicht zielführend erwiesen hat, ist sinnlos. Deswegen ist es wichtig, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem jeder einzelne Mitarbeiter das Selbstvertrauen hat, im Zweifelsfall Bedenken anzumelden. Wenn jemand sagt: „Ich bin der Meinung, wir sollten unseren Ansatz noch einmal überdenken“, ist das nicht gleichbedeutend mit: „Wir schaffen das nicht.“ Vielmehr wird die Frage gestellt: „Sollten wir auf der Grundlage der neuen Informationen an diesem Plan festhalten?“
Der Wechsel von einem Start-up in eine Führungsrolle bei einem großen Unternehmen ist eine Herausforderung, die mit Ängsten, Selbstzweifeln und vielen weiteren Bedenken verbunden ist. Unter anderem habe ich dabei jedoch herausgefunden, dass mir Personalführung Spaß macht. Ich habe gemerkt, dass ich es als befriedigender empfinde, ein großes Team bei der effektiven und produktiven Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen, als selbst in der Entwicklung oder Konstruktion zu arbeiten. Ich finde es ungemein erfüllend, meine Führungsrolle zu nutzen, um mich auf diejenigen Aufgabenbereiche zu konzentrieren, die mir am meisten liegen – damit andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihr eigenes Potential entfalten können.
Wie sagte die Wildwestheldin Annie Oakley, deren Lebensgeschichte dem besagten Musical als Vorlage diente, so schön? „Wenn du ein hohes Ziel ins Visier nimmst, wirst du es treffen. Nein, nicht beim ersten Versuch, auch nicht beim zweiten Versuch, und womöglich auch nicht beim dritten. Aber bleib dran, versuch‘s immer wieder, denn nur Übung macht den Meister. Und zu guter Letzt wirst du ins Schwarze treffen.“
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Redshift, einer Autodesk-Publikation, um Designer, Ingenieure, Architekten und Hersteller zu inspirieren. Haben Sie Lust auf mehr Inhalt? Abonnieren Sie den Redshift-Newsletter.