Menschen mit Schwerbehinderung gelten als zuverlässige und motivierte Mitarbeiter. Trotzdem haben sie es oft schwerer als Menschen ohne Behinderung, im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Wie Unternehmen sie trotz Handicaps erfolgreich in ihren Betrieb integrieren – das war das Thema einer Infoveranstaltung der IHK Nürnberg für Mittelfranken am Mittwoch.
Rund 3,3 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung im erwerbsfähigen Alter leben laut Bundesagentur für Arbeit in Deutschland. Viele von ihnen wünschen sich einen sicheren Arbeitsplatz, der zu ihren Fähigkeiten passt. Zugleich suchen Unternehmen derzeit händeringend Fachkräfte – daraus ergeben sich Chancen für beide Seiten.
Obwohl Menschen mit einer schwerer Behinderung oftmals eine hohe Leistungsbereitschaft mitbringen, sind sie der Bundesagentur für Arbeit zufolge fast doppelt so oft arbeitslos wie Menschen ohne Behinderung. Warum gibt es diesbezüglich einen so großen Unterschied? Offenbar haben manche Arbeitgeber trotz aller Statistiken und Erfahrungswerte Vorbehalte gegenüber behinderten Menschen.
Inklusion in größeren Betrieben besser
Vor allem kleinere Betriebe hätten bei der Anstellung von schwerbehinderten Menschen mitunter „irrationale Ängste“, sagte Dr. Katharina Reidel, Fachanwältin für Arbeitsrecht, bei der Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung „Ohne Barrieren zu einem inklusiven Betrieb“ in der IHK Nürnberg für Mittelfranken am Mittwoch. Die gesetzliche Beschäftigungsquote werde besser in den größeren Unternehmen erfüllt. Das Sozialgesetzbuch schreibt einen Anteil von mindestens fünf Prozent schwerbehinderter Arbeitnehmer in einem Betrieb ab einer Größe von 20 Beschäftigten vor.
Igor Lamprecht von der GCD printlayout GmbH argumentierte dagegen, dass größere Unternehmen anonymer seien und potenzielle Mitarbeiter eher passgenau nach Profilen suchten. Deshalb hätten es Menschen mit Behinderung leichter, in kleineren, mittelständischen Betrieben unterzukommen. Geschäftsführer sollten mehr „in Chancen denken“. Dazu gehöre vor allem auch die Personalentwicklung.
„Die Integration von behinderten Menschen sollte generell unabhängig von der Betriebsgröße sein“, schaltete sich Martin Rosenberger, Technischer Berater des Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) – Integrationsamts, in die Diskussion ein. Erfahrungsgemäß funktioniere dies bei größeren Unternehmen aber besser, da sie über mehr Mitarbeiter verfügen, die die Risiken auffangen können. „Größere Unternehmen haben schlichtweg mehr Erfahrung im Umgang mit behinderten Menschen“, machte Irmgard Bandura, Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, als Grund für die Diskrepanz aus.
Plötzlich behindert – plötzlich arbeitslos?
Teil der Runde war mit Maximilian Maihöfner auch ein selbst Betroffener. Der Auszubildende aus dem IT-Bereich ist sehbehindert und kann nur mit einer speziellen Vergrößerungssoftware Dinge am Computer erkennen. Sorgen, deshalb bei seiner Arbeit benachteiligt zu sein, hat er keine: „Ich denke nicht, dass ich durch meine Sehbehinderung schlechter bei der Prüfung abschneide als andere.“ Auch für seinen Vorgesetzten bei der Silbury IT Solutions Deutschland GmbH Thomas Land ist Maihöfner „ein ganz normaler Azubi. Wir haben ihn aufgrund seiner bisherigen Leistungen genommen.“
Doch eine Behinderung muss nicht immer nur vor einer Arbeitsanstellung Thema sein. Irmgard Bandura berichtet von einem Fall eines langjährigen U-Bahn-Fahrers, der plötzlich erblindet. „Wir sollten bedenken: Auch ich kann morgen eine Diagnose bekommen, die mein Leben verändert“, sagte sie. Ein schon lange bestehendes Arbeitsverhältnis sei dann ein „guter Kitt“, ergänzte Dr. Katharina Reidel, um wegen eines Arbeitsunfalls und einer Behinderung nicht schlagartig den Arbeitsplatz zu verlieren. In solchen Fällen können Umschulungen helfen und der Kontakt zu den Berufsförderungswerken. „Die soziale Fürsorgepflicht fängt da an, wo wir Leute, die nicht wie Maschinen funktionieren, in Schutz nehmen“, sagte Igor Lamprecht.
Offen mit Behinderung umgehen
Ein weiterer Aspekt, mit dem sich die Experten vor den rund 70 anwesenden Gästen beschäftigten, war der gesellschaftliche Umgang mit behinderten Menschen. Maximilian Maihöfner plädierte für Inklusionsprogramme in der Schule, um schon frühzeitig Verständnis für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Behinderte sollten zudem offen und selbstbewusst mit ihrer Behinderung umgehen, mahnte Irmgard Bandura. Das mache es allen Beteiligten einfacher.
Wie kann die Integration in den betrieblichen Alltag also gelingen, fragte Moderator Heinrich Moethe zum Schluss. Martin Rosenberger brachte auf den Punkt, worin sich alle einig waren: „Man muss ohne Vorurteile miteinander reden – dann gelingt die Integration.“
Nach der Diskussionsrunde hatten die Gäste die Möglichkeit, auf einer Beratungsmesse miteinander ins Gespräch zu kommen. Vertreten waren neben der Arbeitsagentur und dem Jobcenter die Deutsche Rentenversicherung, das ZBFS – Integrationsamt, das Berufsförderungswerk Nürnberg sowie der Integrationsfachdienst.